Elektrischer Dreh für Datenspeicher

Datendichte in Arbeitsspeichern könnte stark erhöht werden

17. März 2011

Die Grundlagen für Speichermaterialien der Zukunft schaffen Forscher des Forschungszentrums Jülich und des Max-Planck-Instituts für Mikrostrukturphysik in Halle. In einem ferroelektrischen Material haben sie erstmals direkt beobachtet, dass die Dipole, die in diesem Material die Information tragen, kontinuierlich ihre Orientierung ändern und sich daher auch ringförmig anordnen können, berichten die Wissenschaftler nun im Fachmagazin „Science“. Diese Erkenntnis gelang ihnen mit einer besonders kontrastreichen Form der hochauflösenden Transmissionselektronen-mikroskopie, welche die Jülicher Forscher entwickelt haben. Ringförmig angeordnete Dipole könnten es erlauben, Arbeitspeicher deutlich dichter mit Daten zu bepacken als bislang und dennoch schnell zu beschreiben und auszulesen.

Domänen in einem ferroelektrischen Datenspeicher: In der Aufnahme des aberrationskorrigierten Transmissionselektronen-Mikroskops sind die Positionen sowohl des positiv geladenen Titan und Zirkonium-Atome als auch des negativ geladenen Sauerstoffs in einer quergeschnittenen Probe des Ferroelektrikums PZT zu erkennen. Wie stark die Zirkonium und Titan-Atome von ihren Positionen im unpolarisierten PZT verrückt sind (gelbe Pfeile in der rechten Abbildung), gibt Aufschluss über die Orientierung der Dipolmomente. Die gelb gepunktete Linie markiert die Grenze zwischen den beiden Bereichen mit um 180 Grad gedrehter Polarisierung. Erstmal direkt beobachtet wurde die blau abgegrenzte Domäne, in der sich die Dipolorientierung ringförmig schließt. Die rote durchbrochene Linie zeigt, wo die Unterlage aus Strontium-Ruthenat beginnt.

Ferroelektrika können ein Dilemma der Chip-Industrie lösen. Sie speichern Daten dauerhaft und lassen sich dennoch schnell beschreiben und auslesen. Magnetische Materialien dagegen, auf denen Festplatten basieren, fixieren Daten permanent, sind aber träge. Halbleiterspeicher wiederum operieren behände mit Daten, verlieren jedoch schnell ihr Gedächtnis, so dass die elektrischen Ladungen ihrer Kondensatoren ständig aufgefrischt werden müssen. Ferroelektrika vereinen die Vorteile beider Materialien. Und in ihnen lässt sich Information möglicherweise dichter packen als bislang angenommen. Sie könnten daher zum Material der Wahl für Arbeitsspeicher mit einer Dichte von mehren Terabit pro Quadratzoll avancieren.

Ferroelektrische Materialien speichern Bits, indem ihre Elementarzellen, ihre kleinsten strukturellen Einheiten, polarisiert werden. Das heißt, ein elektrisches Feld verschiebt die positiv und negativ geladenen Atome leicht gegeneinander, so dass die Elementarzelle leicht verzerrt wird und ein Dipol entsteht. Dieser bleibt so lange erhalten, bis ein umgekehrt gepoltes Feld den Dipol umklappt oder die Polarisierung aufhebt. Jedem Bit ist in einem ferroelektrischen Speicher ein Bereich – Physiker sprechen von einer Domäne – zugeordnet, wo die Dipole alle gleich ausgerichtet sind. „Wir haben nun festgestellt, dass die Polarisierung unter bestimmten Bedingungen auch in sehr kleinen Domänen noch erhalten bleibt“, sagt Chun-Lin Jia, der am Forschungszentrum Jülich forscht.

Festgestellt hatten die Forscher das an einem Ferroelektrikum, das am Max-Planck-Institut für Mikrostrukturphysik in Halle hergestellt wurde. Es enthält Blei, Zirkonium, Titan und Sauerstoff und wird Bleizirkonattitanat (PZT) genannt. Chun-Lin Jia und Knut Urban, Direktor am Ernst Ruska-Centrum – dem Aachener und Jülicher Kompetenzzentrum für Mikroskopie und Spektroskopie mit Elektronen – haben die Probe des PZT mit einem besonders empfindlichen und atomar auflösendenTransmissionselektronen-Mikroskop untersucht. Dieses aberrationskorrigierte Gerät behebt Abbildungsfehler des Linsensystems und liefert daher scharfe und kontrastreiche Aufnahmen von sehr kleinen Details. Es ist sogar in der Lage, die Positionen von Atomen mit einer Genauigkeit von wenigen Pikometern zu bestimmen – ein Pikometer ist der Tausendste Teil eines Nanometers. Mit dieser Technik lassen sich anders als mit einem herkömmlichen Transmissionselektronen-Mikroskop Sauerstoff-Atome des PZT lokalisieren, die ansonsten auf Grund ihres schwachen Streusignals kaum zu detektieren sind.

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