First principles-Untersuchung des Magnetismus von verdünnten magnetischen Halbleitern

Forschungsbericht (importiert) 2004 - Max-Planck-Institut für Mikrostrukturphysik

Autoren
Sandratskii, Leonid; Patrick Bruno
Abteilungen
Theorie-Abteilung (Prof. Dr. Jürgen Kirschner)
MPI für Mikrostrukturphysik, Halle (Saale)
Zusammenfassung
Die moderne Spinelektronik stellt hohe Anforderungen an den Entwurf und die Fabrikation neuer Materialien. Unter den Systemen, die diese Anforderungen erfüllen können, nehmen die verdünnten magnetischen Halbleiter eine wichtige Position ein. In diesem Beitrag berichten wir über einige Ergebnisse unserer first principles-Untersuchungen an diesen Materialien. Wir haben gezeigt, dass die teilgefüllten Bänder eine sehr wichtige Rolle für den Magnetismus der verdünnten magnetischen Halbleiter spielen. Die weit reichende Austauschwechselwirkung entsteht als Kompromiss zwischen der Delokalisierung der Lochzustände von der 3d-Dotierung und der Stärke der 3d-Loch-Wechselwirkung. Die Eigenschaften dieses Kompromisses sind von dem konkreten System stark abhängig und können nur mit realistischen Dichtefunktionalrechnungen ermittelt werden.

Eine der wichtigsten Aufgaben der modernen Festkörperphysik ist die Entwicklung von Materialien für die Halbleiter-Spinelektronik. Diese Materialien müssen eine Reihe von Kriterien erfüllen: hohe Curietemperatur, hohe Spinpolarisierung der Ladungsträger, Kompatibilität mit traditionellen Halbleitermaterialien. Zwischen den Systemen, die diese Anforderungen erfüllen können, nehmen die verdünnten magnetischen Halbleiter (diluted magnetic semiconductors, DMS) eine wichtige Position ein. Das sind Halbleiter, die mit magnetischen Atomen dotiert sind. Seit dem experimentellen Nachweis des Ferromagnetismus in GaAs dotiert mit 5% von Mn mit einer Curietemperatur von 110 K ziehen DMS ein sehr großes experimentelles und theoretisches Interesse auf sich. Der physikalische Mechanismus des Ferromagnetismus’ bleibt jedoch das Thema kontroverser Diskussionen.

In diesem Übersichtsartikel berichten wir über einige unserer theoretischen Untersuchungen an DMS-Materialien. Diese Untersuchungen sind im Rahmen der Dichtefunktionaltheorie durchgeführt worden. Untersucht wurden die elektronische Struktur, die Austauschwechselwirkungsparameter und die Curietemperatur der Systeme.

In Abbildung 1 zeigen wir die elektronische Zustandsdichte von (GaMn)As mit einer Mn-Konzentration von 3%. Das Ersetzen der Ga-Atome durch Mn-Atome führt zur Entstehung von teilbesetzten elektronischen Bänden, die einen Lochzustand per Mn-Atom enthalten.

Für die Berechnung der interatomaren Austauschwechselwirkungsparameter benutzen wir das "frozen magnon"-Verfahren. Die Berechnung der "frozen magnon"-Energien wird für ein Netzwerk der Wellenvektoren durchgeführt. Die reziproke Fouriertransformation ergibt die interatomaren Austauschwechselwirkungsparameter. Unsere Rechnungen zeigen, dass der Ferromagnetismus in DMS-Systemen eng mit dem Vorhandensein von teilgefüllten elektronischen Bänden verbunden ist.

Die interatomare Austauschwechselwirkung kann als die energetische Antwort auf die Nichtkollinearität der 3d-Momente betrachtet werden. Steigt die Energie des Systems, ist der ferromagnetische Zustand der Grundzustand. Je größer der Anstieg der Energie, desto höher sind die interatomaren Austauschwechselwirkungsparameter und die Curietemperatur. In einem System mit vielen elektronischen Bänden führt die magnetische Nichtkollinearität zu einem komplexen Bild der Änderungen der einzelnen Bände.

Deshalb ist es sehr schwer, das Verhalten der Gesamtenergie als Antwort auf die Nichtkollinearität vorherzusagen. Nur eine realistische Berechnung im Rahmen der Dichtefunktionaltheorie liefert ein verlässliches Ergebnis für ein komplexes vielbändiges System. Die Untersuchung der vereinfachten Modelle erlaubt jedoch, einige wichtige Komponenten der entstehenden Bandänderungen zu separieren und zu erforschen. Dies führt zu einem tieferen Verständnis der physikalischen Prozesse und ist eine hilfreiche Komponente der theoretischen Untersuchungen.

In Abbildung 2 zeigen wir schematisch am Beispiel der Zweibandmodelle zwei Prozesse, die als Reaktion auf magnetische Nichtkollinearität entstehen. Der erste ist die Senkung der Breite der Bände. Die Verengung der Bände kann als die Steigerung der effektiven Masse des Elektrons, das sich in einem nichtkollinearen Austauschwechselwirkungsfeld bewegt, interpretiert werden. Als Ergebnis dieses Prozesses steigt die Energie eines teilbesetzten elektronischen Bandes. (Bei einem vollbesetzten Band kompensieren sich die Energieänderungen der einzelnen Zustände gegenseitig. Die Gesamtenergie des Systems bleibt also unverändert.) Die physikalische Grundlage des ferromagnetischen Beitrags in die interatomare Austauschwechselwirkung durch die Verengung der Bände ähnelt dem physikalischen Prozess der so genannten "double exchange"-Wechselwirkung.

Ein anderer Prozess, der durch die Nichtkollinearität der magnetischen Struktur entsteht, ist die Hybridisierung der ferromagnetischen Zustände mit verschiedenen Spinprojektionen. Die Hybridisierung der zwei Zustände führt zur gegenseitigen Abstoßung dieser Zustände. Wenn der untere Zustand besetzt und der obere Zustand leer ist, führt dieser Prozess zum Absinken der Gesamtenergie. Das bewirkt einen antiferromagnetischen Beitrag zur effektiven interatomaren Austauschwechselwirkung. Je kleiner der Abstand zwischen den wechselwirkenden Zuständen, desto größer der Effekt. Dieser Prozess hat einige Züge, die der antiferromagnetischen Superaustauschwechselwirkung von Anderson ähneln. Das größte Ergebnis dieses Prozesses entsteht, wenn das untere Band voll besetzt und das obere leer ist. Das ist genau der Fall, wenn die Verengung der Bände keinen ferromagnetischen Beitrag liefert.

In Abbildung 3 zeigen wir die Ergebnisse der Berechnung der Curietemperatur von (GaMn)As als Funktion der Elektronenzahl. Für die nominale Anzahl der Elektronen entsteht ein Loch per Mn-Atom. Die partielle Besetzung der Bände führt zur ferromagnetischen Austauschwechselwirkung zwischen Mn-Momenten. Wenn durch die zusätzliche (kontrollierte oder unkontrollierte) Donatordotierung die Lochzustände gefüllt sind, wird die effektive Wechselwirkung antiferromagnetisch. Dies zeigt die entscheidende Rolle der teilgefüllten Bände für die Entstehung des Ferromagnetismus. Demnächst werden wir uns einen Einblick in die Eigenschaften der Löcher verschaffen, die für den Ferromagnetismus wichtig sind.

Es gibt zwei Eigenschaften der Löcher, die die Größe der Austauschwechselwirkung zwischen den atomaren Momenten der 3d-Atome beeinflussen. Das ist die Delokalisierung der Löcher von den 3d-Atomen und die Stärke der Austauschwechselwirkung zwischen Loch und 3d-Atom. Die Komplexität der Situation entsteht dadurch, dass die Stärkung einer dieser Eigenschaften zur Schwächung der anderen führt. In beiden Grenzfällen - (a) die Löcher sind an 3d-Atomen lokalisiert, 3d-Loch-Wechselwirkung stark und (b) die Löcher sind voll delokalisiert (matrixartig) und 3d-Loch-Wechselwirkung vernachlässigbar - entsteht keine nennenswerte Austauschwechselwirkung zwischen den 3d-Momenten. Demzufolge ist die Stärke der Austauschwechselwirkung gegenüber der Delokalisierung der Löcher nicht monoton. Die stärkste Wechselwirkung entsteht als Kompromiss zwischen den beiden Eigenschaften der Löcher.

Der Wettbewerb der Eigenschaften der Löcher wird eindeutig durch den Vergleich der Rechnungen gezeigt, die für zwei verschiedene Systeme (GaMnAs und GaMnN) mit zwei verschiedenen Verfahren (LDA und LDA+U) durchgeführt wurden. Die local density approximation (LDA) ist ein Standardrechenverfahren der Dichtefunktionaltheorie. Das LDA+U-Schema ist durch die explizite Einführung der intraatomaren Coulombwechselwirkung (Hubbard U) charakterisiert und liefert eine bessere Beschreibung vieler elektronischer Systeme mit starken Coulombkorrelationen.

Der Vergleich der LDA- und LDA+U-Rechnungen zeigt, dass für beide Systeme Hubbard U zu einer tieferen energetischen Position der besetzen Majorität Mn 3d Zustände gegenüber den Bändern der Halbleitermatrix führt. Demzufolge sind die Löcher in den LDA+U-Rechnungen weniger an den Mn-Atomen lokalisiert. Gleichzeitig sinkt die 3d-Loch-Wechselwirkung. Der Charakter der Änderungen der beiden Eigenschaften ist als Funktion von U monoton und für beide Systeme ähnlich. Die daraus resultierende Änderung der interatomaren Austauschwechselwirkungsparameter und der Curietemperatur ist jedoch für beide Systeme gegenläufig (Abb. 4). In GaMnAs spielt die Senkung der 3d-Loch-Wechselwirkung eine größere Rolle, die zum Absinken der Curietemperatur führt. Andererseits gewinnt in GaMnN die Delokalisierung der Löcher an Einfluss, was zum Anstieg der Curietemperatur führt. Dieses Ergebnis zeigt den großen Unterschied des Magnetismus dieser zwei Systeme.

Ein anderes Beispiel der Komplexität des Magnetismus der verdünnten magnetischen Halbleiter liefert die Untersuchung des Einflusses der Clusterung der 3d-Dotierungen. Die Rechnungen zeigen, dass die Momente der Mn-Atome, die zum gleichen Cluster gehören, parallel zueinander sind. Das führt zur Formation riesiger Clustermomente. Man könnte erwarten, dass die riesigen Momente stark wechselwirken, was zu hoher Curietemperatur führt. Die Berechnungen der Curietemperatur unterstützen jedoch diese Erwartung nicht.

In GaMnN führt die Clusterformation, trotz riesiger Clustermomente, zum Absinken der Curietemperatur. Die Untersuchung der elektronischen Zustandsdichte hilft, dieses Ergebnis zu erklären. Die Ursache der sinkenden Curietemperatur ist die starke intracluster-Wechselwirkung der Mn-3d-Zustände. Diese Wechselwirkung führt zur Aufspaltung der Mn-3d-Niveaus. Weil die Mn-3d-Zustände in der Halbleiterlücke vom GaN liegen, hybridisieren sie sich relativ schwach mit den Halbleiterzuständen. Deshalb bleibt die Aufspaltung der Zustände in der Zustandsdichte von GaMnN erhalten. Das führt dazu, dass die teilbesetzte Gruppe der Zustände weniger Löcher hat, als es von der Konzentration der Mn-Atome zu erwarten ist. Weil Anzahl und Eigenschaften der Löcher eine wichtige Rolle in der Vermittlung der Austauschwechselwirkung spielen, erklärt diese Tatsache die sinkende Curietemperatur für das System mit den riesigen Clustermomenten.

Zusammenfassung: Wir haben gezeigt, dass die teilgefuellten Bänder eine sehr wichtige Rolle für den Magnetismus der verdünnten magnetischen Halbleiter spielen. Die weit reichende Austauschwechselwirkung entsteht als Kompromiss zwischen der Delokalisierung der Lochzustände von der 3d-Dotierung und der Stärke der 3d-Loch-Wechselwirkung. Die Eigenschaften dieses Kompromisses sind von dem konkreten System stark abhängig und können nur mit realistischen Dichtefunktionalrechnungen ermittelt werden.

Originalveröffentlichungen

1.
Sandratskii, L.M. and P. Bruno
Exchange interactions and Curie temperature in (Ga,Mn)As
Physical Review B 66, 134435 (2002)
2.
Sandratskii, L.M., P. Bruno and J. Kudrnovsky
On-site Coulomb interaction and the magnetism of (GaMn)N and (GaMn)As
Physical Review B 69, 195203 (2004)
3.
Sandratskii, L.M., P. Bruno and S. Mirbt
Effect of the Mn clustering in Ga(Mn)N on the magnetic transition temperature
Physical Review B 71, 045210 (2005)
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