Auf dem Weg zur schnellst möglichen Rechengeschwindigkeit
Forschungsbericht (importiert) 2018 - Max-Planck-Institut für Mikrostrukturphysik
Dank der enormen Erhöhung der Rechengeschwindigkeit von Computern sind wir es heute gewohnt, hochauflösende Videos auf PCs, Laptops und Smartphones zu streamen. Gleichwohl haben die meisten Menschen schon erlebt, dass die Übertragung einer großen Datei mitunter viel Geduld erfordert. In solchen Momenten könnte man sich fragen: Wie nah sind wir eigentlich an der Obergrenze der Rechengeschwindigkeit?
Um diese Frage beantworten zu können, müssen wir die mikroskopische Physik der Datenspeicherung in Computern verstehen.
Die Datenspeicherung macht sich eine quantenmechanische Eigenschaft von Elektronen, den sogenannten Spin, zunutze. Stellt man sich ein Elektron stark vereinfacht als rotierendes Kügelchen vor, so entspricht das Dipolmoment des Spins der Ausrichtung der Rotationsachse – in der Regel als Pfeil veranschaulicht (Abb. 1). In den meisten Materialien nehmen die Spins beliebige Richtungen an, sodass sich diese Pfeile gegenseitig aufheben: Es entsteht kein Nettomoment. Allerdings gibt es auch Materialien, bei denen eine parallele Orientierung der Spins bestimmter Elektronen energetisch günstig ist. Die Pfeile weisen dann alle in die gleiche Richtung. Dies ist in ferromagnetischen Materialien der Fall.
Mit ferromagnetischen Materialien lassen sich mithilfe eines starken magnetischen Feldes, das die Ausrichtung dieser Pfeile steuert, Daten speichern. Im technisch günstigsten Fall ist heute eine solche Neuausrichtung innerhalb einiger Hundertstel Pikosekunden (1 ps = 10−12 s) möglich. Wenn es gelänge, die quantenmechanische Natur der Elektronen noch besser auszunutzen, dürften über eine Million Mal höhere Geschwindigkeiten im Bereich des Möglichen liegen.
Neuere theoretische Forschungen [1, 2] von unserer Gruppe sagen eine Methode zur Manipulation von Spins auf Zeitskalen von nur wenigen Femtosekunden (1 fs = 10−15 s) mithilfe ultraschneller, starker Laserpulse vorher.
Der Oistr-Mechanismus
In unseren Simulationen untersuchten wir, wie sich die Magnetisierungsdichte und die Spins im Innern bestimmter Materialien verhalten, wenn sie mit starken Laserpulsen beschossen werden.
Ein Beispiel ist in Abb. 1 anhand des Materials NiMnSb dargestellt. In dieser Simulation "richteten" wir einen sehr starken, nur wenige Femtosekunden langen Laserpuls im optischen Bereich mit einer Spitzenintensität von 1014 W/cm2 auf die Probe. Als Folge davon verringerte sich das lokale Moment der Mn-Atome, während das lokale Moment der Ni-Atome stark anstieg. Angesichts derart kurzer Zeiträume lässt sich diese Änderung des Moments nur mit Spin-Transfers zwischen den Mn- und Ni-Untergittern erklären. Diesen Mechanismus haben wir Optisch Induzierten Spin-Transfer, kurz OISTR, genannt.
Das anfänglich große magnetische Moment der Mn-Atome ist auf besetzte Energieniveaus zurückzuführen, wobei Spin-up-Elektronen überwiegen (spin majority). Dies impliziert notwendigerweise unbesetzte Energieniveaus der Mn-Atome, wobei Spin-up-Elektronen in der Minderzahl sind (spin minority). Wird ein Elektron durch einen Laser angeregt, so nimmt es Energie auf und wechselt aus einem besetzten Energieniveau in ein höheres, unbesetztes Energieniveau. Wir haben festgestellt, dass der OISTR-Mechanismus hauptsächlich auf Spin-minority-Elektronen der Ni-Atome zurückgeht, die in den unbesetzten Spin-minority-Bereich der Mn-Atome angeregt werden. Dieser physikalische Prozess liegt dem OISTR-Mechanismus zugrunde.
Ausgehend von diesem Verständnis des OISTR-Mechanismus können wir nun Materialien finden, die ein bestimmtes, gewünschtes Verhalten aufweisen. Beispielsweise können wir einen Werkstoff derart gestalten, dass OISTR die kurzzeitige magnetische Kopplung verändert.
Aus Antiferromagneten werden Ferromagneten
Im Gegensatz zu dem geschilderten ferromagnetischen Fall ordnen sich die Spins bei antiferromagnetischen Materialien antiparallel zueinander an. Die Spins weisen also jeweils in die entgegengesetzte Richtung der benachbarten Spins. Die Fähigkeit, von einer Art der magnetischen Ordnung zur anderen zu wechseln, wäre für die Entwicklung künftiger technischer Geräte ungemein nützlich.
In diesem Beispiel haben wir ein Mehrschichtsystem aus Mangan und Cobalt auf einem nicht magnetischen Kupfersubstrat gewählt. Die Kopplung der Co-Atome ist ausnahmslos ferromagnetisch, bei den Mn-Atomen hingegen antiferromagnetisch. In der Folge weist ein Mn-Atom pro Elementarzelle einen dem anderen Mn-Atom und den Co-Atomen entgegengesetzten Spin auf (Abb. 2 links vor Einwirken des Laserpulses).
Die mittlere und die rechte Grafik von Abb. 2 veranschaulichen, wie sich die Magnetisierung während des Laserimpulses entwickelt. In diesem Fall nahmen wir einen etwa 25 fs kurzen Laserpuls an. Erneut zeigte sich eine Neuverteilung des lokalen magnetischen Moments im gesamten System, was auf die Wirkung des OISTR-Mechanismus hindeutet. Im Ergebnis wiesen alle Spins in die gleiche Richtung, es fand also ein Wechsel von einer antiferromagnetischen zu einer ferromagnetischen Ordnung statt.
Experimentelle Bestätigung
Dieser von uns theoretisch vorgesagte OISTR-Mechanismus wurde mittlerweile in mehreren unabhängigen Experimenten verifiziert. Dies bestätigt die Vorhersagekraft unserer Simulationen und demonstriert die Eignung des OISTR-Mechanismus als Hilfsmittel zur Manipulation der Spin-Dynamik. Daher dürfte OISTR künftig eine wesentliche Rolle in der Forschung spielen, die darauf abzielt, die magnetischen Eigenschaften von Materialien im Femtosekundenbereich zu steuern. Ziel ist es, die Rechengeschwindigkeit auf ein völlig neues Niveau zu bringen und damit einen gewaltigen Schritt auf dem Weg zur ultimativen Obergrenze der Rechengeschwindigkeit elektronischer Geräte zu vollziehen.