Ein jahrzehntealtes Rätsel gelöst: Neue Signatur enthüllt den Mechanismus hinter isolierenden Eigenschaften - Schlüssel zu einem mysteriösen supraleitenden Effekt?

Eine seit Langem bestehende Herausforderung in der Festkörperphysik – die Unterscheidung zwischen zwei grundlegend verschiedenen Arten von Isolatoren – könnte nun eine Lösung gefunden haben. Ein internationales Forschungsteam unter der Leitung von Dr. Niels Schröter am Max-Planck-Institut für Mikrostrukturphysik in Halle hat eine charakteristische, impulsaufgelöste spektroskopische Signatur identifiziert, die starke Elektronenkorrelationen im Material Nb₃Br₈ aufdeckt. Ihre Ergebnisse, veröffentlicht in Nature Communications, markieren einen entscheidenden Schritt zum besseren Verständnis der Mechanismen, die den isolierenden Eigenschaften kristalliner Festkörper zugrunde liegen – eine Frage, die Physiker seit Jahrzehnten beschäftigt.
 

In Festkörpern können isolierende Eigenschaften auf zwei grundsätzlich unterschiedliche Weisen entstehen: Entweder streuen Elektronen an der regelmäßigen Anordnung der Atome, wodurch ein sogenannter Bandisolator entsteht, oder sie lokalisieren aufgrund starker Wechselwirkungen untereinander, was zu einem Mott-Isolator führt. Für Materialien mit einer geraden Anzahl von Elektronen pro Einheitszelle sind beide Szenarien theoretisch möglich, doch die experimentelle Unterscheidung war bislang äußerst schwierig.

„Unsere Arbeit liefert erstmals einen klaren, impulsaufgelösten Fingerabdruck, der diese beiden Fälle unterscheidet“, erklärt Dr. Schröter. „Wir haben ein einzigartiges spektroskopisches Merkmal in Nb₃Br₈ entdeckt, das es als Mott-Isolator identifiziert und frühere Annahmen widerlegt, wonach es sich lediglich um einen Bandisolator handelt.“

Diese Entdeckung ist weit mehr als nur ein akademischer Meilenstein. Nb₃Br₈ hat in den letzten Jahren erhebliches Interesse geweckt, da es einen rätselhaften Josephson-Dioden-Effekt zeigt – ein supraleitendes Phänomen, das die Zeitumkehrsymmetrie ohne externes Magnetfeld oder magnetisches Material bricht – erstmals 2022 am Max-Planck-Institut in Halle beobachtet. Bislang waren die Ursachen dieses Effekts ungeklärt. Die neuen Ergebnisse deuten darauf hin, dass starke Elektronenkorrelationen in Nb₃Br₈ das fehlende Puzzleteil sein könnten.

Der Durchbruch basiert auf präzisen Messungen der elektronischen Bandstruktur des Materials. Das Team um Dr. Schröter konnte zeigen, dass im Mott-isolierenden Zustand das Maximum des höchst besetzten Bandes entlang der aus der Ebene gerichteten Richtung im Impulsraum um Δkz = 2π/d verschoben ist, wobei d den Abstand zwischen den atomaren Schichten bezeichnet. Ein Bandisolator hingegen würde eine deutlich kleinere Verschiebung, von weniger als π/d, aufweisen. Diese klare, quantitative Unterscheidung bietet ein starkes neues Werkzeug zum Studium von Quantensystemen – insbesondere von Van-der-Waals-Heterostrukturen, bei denen die Kopplung zwischen den Schichten gezielt angepasst werden kann, um einen Übergang zwischen verschiedenen isolierenden Zuständen herbeizuführen.

Doktorand Mihir Date, der die experimentellen Arbeiten leitete, beschreibt die Reise als eine „wunderschöne Achterbahnfahrt.“

„Als ich angefangen habe, lag unser Fokus darauf, Oberflächenzustände in Nb₃Br₈ zu identifizieren“, erinnert sich Date. „Nach mehreren erfolglosen Versuchen stießen wir dann auf einen unerwarteten Hinweis: Die aus der Ebene gerichtete Dispersion stimmte nicht mit der erwarteten Periodizität der Gitterstruktur überein. Da wurde uns klar, dass dieses Material unerwartet starke Elektronenkorrelationen zeigt. “

Date ergänzt: „Rückblickend fühle bin ich sehr glücklich, dass sich unsere harte Arbeit und die enge Zusammenarbeit mit Kollegen aus unserem Institut, dem Max-Planck-Institut in Dresden, der Martin-Luther-Universität Halle sowie unseren hervorragenden theoretischen Partnern in der Schweiz am Paul Scherrer Institut, der Universität Freiburg und der Universität Genf am Ende ausgezahlt haben.“

Über die Lösung eines jahrzehntealten experimentellen Problems hinaus könnte die neue Methode den Weg ebnen, um Quantentransitionen zwischen Band- und Mott-isolierenden Phasen in geschichteten Materialien zu beobachten – ein spannender Ausblick für die Entwicklung von supraleitenden Geräten der nächsten Generation.

„Unsere Ergebnisse lösen nicht nur eine langjährige experimentelle Frage“, betont Dr. Schröter, „sondern eröffnen auch neue Wege, um das Zusammenspiel von Elektronenkorrelationen und Supraleitung in niedrigdimensionalen Systemen zu erforschen.“

Diese Arbeit unterstreicht die entscheidende Rolle hochmoderner spektroskopischer Methoden und internationaler Zusammenarbeit für den Fortschritt in der Forschung an Quantenmaterialien.

Other Interesting Articles

Zur Redakteursansicht